20.12.2023
Bei uns ist die Pilzsaison spätestens mit dem ersten Schnee vorbei. Im südlichen Europa ist der Winter hingegen die beste Zeit, um sich auf Schwammerlsuche zu begeben.
Spanien hat viele Gesichter. Neben den großen Städten Madrid und Barcelona kennen österreichische Touristen vor allem die langen Strände am Mittelmeer. Das Landesinnere ist weitgehend unbekannt und bietet zahlreiche Attraktionen, die bei gemäßigten Temperaturen angenehmer zu besichtigen sind, als im Hochsommer. Wer neben kulturellen Schätzen auch kulinarische sucht, ist im Winter sowieso besser dran.
Die bekanntesten Weine Spaniens stammen aus der Rioja, dem größten und renommiertesten Weinbaugebiet im Nordosten des Landes. Westlich davon hat mit Ribera del Duero eine weitere Region Weltruhm erlangt. Etwas südlich zwischen den beiden Regionen liegt das verträumte Provinzstädtchen Soria. Jedes Jahr im Herbst freut man sich dort auf die bevorstehende Schwammerlsaison, die sich auch in Spezialitätenwochen in den regionalen Restaurants niederschlägt. Berühmte Luxusrestaurants sucht man hier zwar vergeblich, dafür gibt es eine Vielzahl an typischen Wirtshäusern mit lokaler Küche zu sehr günstigen Preisen. Allgegenwärtig sind nicht nur Gerichte mit schwarzem Trüffel, Steinpilzen und Eierschwammerln: die Vielfalt an weniger bekannten Pilzen, die nach traditionellen Rezepten zubereitet werden, ist schier unglaublich.
Offizieller Auftakt der iberischen Pilzsaison ist Jahr für Jahr der Fachkongress „Mycological Cuisine and Tourism“, der Ende Oktober über die Bühne ging. 2023 war auch eine japanische Delegation anwesend, die von einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit berichtete. 1983 gelang es japanischen Forschern erstmals, Maitake-Pilze zu züchten. Aufgrund der ganzjährigen Verfügbarkeit hat der Einsatz von Maitake in der japanischen Küche seither dramatisch zugenommen. Jetzt will man in den Hügeln rund um Soria ebenfalls Farmen für den Anbau von Maitake anlegen. Die Böden und das Klima passen perfekt, erste Pilot-Projekte wurden bereits erfolgreich absolviert.
Die Ernte soll nur teilweise nach Japan exportiert werden. Gemeinsam mit spanischen Köchen wurden bereits mehrere Rezepte für mediterrane Gerichte entwickelt.
Maitake Pilze schmecken nicht nur hervorragend, sie sind auch sehr gesund. Wir wollen die Erfolgsgeschichte von Maitake in Europa fortschreiben und haben mit Soria einen idealen Ausgangspunkt gefunden“, erklärte uns Fernando Martínez Peña, der als Direktor des European Mycological (EMI) Institute für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts verantwortlich ist.
Die Erfolgsaussichten scheinen vielversprechend zu sein. Wie die Geschichte des Shiitake-Pilzes belegt, der ursprünglich ebenfalls aus Japan (und China) stammt, hat die westliche Welt durchaus Appetit auf fernöstliche Schwammerln. Die meisten der bei uns konsumierten Shiitake-Pilze stammen dabei aus europäischen Zuchtbetrieben, mitunter auch aus Österreich.
Eine ähnliche Entwicklung könnte es bei den Maitake-Pilzen geben. Als wohlschmeckender Ersatz für Fleisch erleben Pilze seit Jahren einen richtigen Boom. In wilder Form kommt der Maitake-Pilz nur in Japan, China und den USA vor. Als Zuchtpilz könnte er jetzt auch in Europa Fuß fassen. Auf die deutschen Namen „Gemeiner Klapperschwamm“ oder „Spatenlhütiger Porling“ wird man bei der Vermarktung aber besser verzichten. Maitake klingt da deutlich besser. Aus dem Japanischen übersetzt bedeutet der Name übrigens „Tanzpilz.“
Zurück nach Castilla y León. Es sind vor allem spanische Besucher, die in den Wintermonaten hierher kommen, um ihre Körbe mit wild wachsenden Pilzen zu füllen. Bei der Orientierung, welche Pilze genießbar sind, helfen Broschüren, die in der Schwammerlhochburg Soria überall erhältlich sind. Das lokale Tourismusbüro vermittelt auch geführte Erkundungen.
Das Sammeln von Pilzen für den Privatkonsum ist überall erlaubt. In Soria kann man die gefundenen Schätze gegen eine kleine Gebühr von Experten auch gleich begutachten lassen, um auf Nummer Sicher zu gehen. Bei der Schwammerlsuche sollte man die Augen allerdings nicht ausschließlich auf den Waldboden richten – es gibt auch sonst viel zu sehen.
Jahrhunderte lang war die Region heftig zwischen Christen und Muslimen umkämpft. Zahlreiche, oft spektakulär positionierte Wehrburgen, Klöster und Kirchen zeugen von diesem historischen Erbe. Besonders beeindruckend ist der Cañón del Rio Lobos mit seinen senkrecht aufragenden Felswänden, die seltenen Raubvögeln ein ideales Biotop bieten. Spektakulär gelegen ist die Ermita de San Bartolomé aus dem 13. Jahrhundert, die den Eingang zu einer gigantischen Höhle bewacht.
Riesige Hotelanlagen wie in den Touristenmetropolen an der Küste findet man hier Gottlob natürlich nicht. Attraktive Quartiere in verschiedenen Preisklassen gibt es dennoch zu genüge. Wer seine müden Beine nach ausgiebigen Spaziergängen in Thermalwasser laben will, ist im Hotel Teraml Burgo de Osma bestens aufgehoben. Obwohl nur 5.000 Einwohner groß, hat Burgo de Osma eine romanische Kathedrale, die bleibend in Erinnerung bleibt. Genauso wie der Wein und die Schwammerln aus der Umgebung.
Weitere Infos: www.spain.info
von Wolfgang Schedelberger
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