05.11.2025
Die heutige Agenturbesitzerin über Ihre Erfolgskarriere in der Sommelerie und als Betreiberin einer Weinbar sowie ihr Engagement bei der Sommelier Union Austria.

Dagmar Gross ist eine der Schlüsselfiguren in der Weinbaugeschichte Österreichs. In ihrer Karriere in der Gastronomie durfte sie die Zeiten des Aufbruchs in der heimischen Weinszene erleben und war selbst aktiver Teil davon. In den frühen 2000er-Jahren betrieb sie die gefeierte Weinbar Tinto Rosso und war erste Ansprechpartnerin für die Presse, wenn es um Weinfragen ging – so etwas wie die Star-Sommelière des Landes.
Heute betreibt sie mit dem Grosswerk eine erfolgreiche PR- und Marketingagentur für Kunst und Kulinarik. Zudem ist sie Präsidentin des Oberösterreichischen Sommeliervereins und PR-Beauftragte der Sommelier Union Austria. Dabei sieht sie ihre Aufgabe darin, Weinpolitik und Weinwirtschaft zugunsten der Winzer:innen und Gastronom:innen zu gestalten und den Nachwuchs zu fördern.
Im Gespräch mit Gault&Millau erzählt sie von ihrem Weg – und warum sie in der Gastronomie die beste Zeit ihres Lebens hatte:
Dagmar Gross: “Ursprünglich wollte ich Haubenköchin werden. Ich hatte Lisl Wagner-Bacher als großes Vorbild, ich habe mich sehr angestrengt, um Rezepte im Kopf zu behalten, und viel an meiner Schneidetechnik gearbeitet. Ich war hoch motiviert. Schließlich begann ich eine Doppellehre als Köchin und Kellnerin bei Walter Friesacher in Anif. Er war der beste Chef meiner gesamten Karriere – ein wahrer Gentleman, ein richtiger Sir.
Schon von klein auf war ich fasziniert von Geschmäckern und Aromen. Ich habe schon als als Kind Gerüche miteinander verglichen und Käse wie Camembert reifen lassen. Mit sechs oder sieben Jahren begann ich, Dinge zu komponieren, und habe mir schon damals viele Gerüche und Geschmäcker gemerkt.
Auf Empfehlung einer Köchin kam ich in einen Betrieb im Tuxertal. Dort war jedoch alles anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Es gab einen neuen Küchenchef, der mit mir nichts anfangen konnte. Das war sehr enttäuschend und hat mich frustriert. Ich habe mich daraufhin entschieden, in den Service zu wechseln statt in der Küche zu bleiben. Danach arbeitete ich im Wiener Café Sacher und legte meine Konzessionsprüfung ab.
Ich sammelte auch Erfahrungen bei Karl Eschlböck im Service. Der Maître fragte mich einmal, ob ich mich mit Wein auskenne. Ich antwortete selbstbewusst ‘Ja’, obwohl ich in Wirklichkeit keine Ahnung hatte. Im Weinkeller konfrontierte er mich dann mit einer Vielzahl von Etiketten – und ich verstand kaum etwas davon. Dieses Erlebnis hat mich tief geprägt und motiviert, mich als Autodidaktin intensiv mit Wein zu beschäftigen.
Es folgten Saisonen im Hotel Post in Lech und auf Sylt, danach begann ich meine Sommelier-Ausbildung. Schließlich kam ich 1996 zu Michi Moosbrugger auf das Weingut Schloss Gobelsburg, zu dem Zeitpunkt, als er den Betrieb übernahm. Der Maître aus dem Hotel Post in Lech hatte mich dorthin empfohlen. Auf Schloss Gobelsburg betreute ich Gäste, kümmerte mich um Journalisten und absolvierte parallel das Weinmanagement-Kolleg in Krems und machte außerdem das Sommelier Diplom.
Anschließend arbeitete ich zwei Jahre lang beim Weinhändler Gottardi am Hof in Wien. Nebenbei absolvierte ich weitere Aus- und Weiterbildungen, unter anderem das Online Media Marketing Studium in Krems sowie den Lehrgang „Management im Kunstmarkt“ in Berlin.
Mit der Zeit wuchs in mir der Wunsch, eine eigene Weinbar zu eröffnen. Eine Reise nach Galizien war schließlich der Auslöser: Dort erlebte ich eine Weinbar, die ganz meiner Vorstellung entsprach. Gemeinsam mit dem Werbeagenturbesitzer Ludwig Marat gründete ich daraufhin das Tinto Rosso – eine Weinbar mit Schwerpunkt auf spanischen und italienischen Weinen. Darauf bin ich besonders stolz: Mit meiner Weinbar gehörte ich zu den besten des Landes. In den Rankings lag ich regelmäßig auf Platz zwei oder drei – direkt hinter Häusern wie Meinl am Graben oder Wein & Co. Das alles erreichte ich Ende zwanzig, etwa in den Jahren 2000 bis 2005.
Eines Tages saß ich in einer Bar in der Märzstraße. Hinter der Theke stand eine ältere Dame mit grauen Haaren und einem riesigen Dutt. In diesem Moment dachte ich: So will ich nicht enden. Ich beschloss, den nächsten Schritt zu machen und den Menschen zu zeigen, dass ich noch mehr kann.
2005/2006 gründete ich daher meine eigene Agentur. Schon bald gewann ich erste Kunden, und es lief besser als erwartet. Ein Winzer sagte einmal: ‘Die nehme ich, weil die hat immer pünktlich gezahlt’.”

Gault&MIllau: Welcher ist der erste Wein, an den du dich erinnerst?
Dagmar Gross: Verwandte aus Wien brachten immer ihren Wein zu uns nach Oberösterreich mit – aus Sooß, ein sehr schwerer, fast öliger Wein. Weintrinken war bei uns selbstverständlich und hatte immer einen hohen Stellenwert. Jeder hatte seinen eigenen Doppler-Lieferanten, und wir Jugendlichen durften auch schon einmal kosten. Wein war immer mit Kommunikation verbunden.
Und welcher ist der erste Wein, an den du dich gerne erinnerst?
Ich war begeistert vom Muskat Ottonell der Freien Weingärtner Wachau und vom Riesling Platin von Jurtschitsch, den es bei Friesacher gab. Bei Eschlböck habe ich zum ersten Mal einen Brunello getrunken – ich war überrascht, dass Wein wirklich großartig schmecken kann.
Wann hat dich die Faszination Wein so richtig gepackt?
Definitiv in der Zeit bei Eschlböck. Die Weinauswahl dort war außergewöhnlich. Ich erinnere mich an Weine von Jamek, an Brunello und Bordeaux. Das war die Zeit, in der ich wieder begann, intensiv Geschmäcker zu sammeln.
Wann begann dein Engagement bei der Sommelier Union Austria (SUA)?
2008, als Annemarie Foidl Präsidentin wurde. Sie hat mich ins Boot geholt, und ich habe sofort an sie geglaubt. Ich sehe meine Aufgabe darin, nicht selbst im Rampenlicht zu stehen, sondern den Nachwuchs zu fördern. Ich möchte Talente ermutigen, ihnen helfen, an die Öffentlichkeit zu treten, und sie auf ihrem Weg begleiten. Die Anforderungen an mich sind heute andere – Weinpolitik und Weinwirtschaft spielen eine größere Rolle.
Was waren damals deine schönsten Erfahrungen als Sommelière?
Ich werde immer Sommelière bleiben, denn ich bin ein Kind der Gastronomie. Ich würde sofort wieder in die Gastro zurückkehren – das waren die besten Zeiten meines Lebens. Ich liebe meinen Agenturjob, aber die spannendste und lustigste Zeit hatte ich in der Gastronomie.
Wie hat sich die Weinwelt im Laufe deiner Karriere verändert?
Ich bin glücklich, dass ich die Zeit des Aufbruchs miterlebt habe. Ich erinnere mich an Weinrunden mit honorigen Herren, bei denen Schwarz Rot, Kollwentz Steinzeiler oder Heinrich Ungerberg serviert wurden. Das war damals eine Sensation und wurde gefeiert. Es war eine wunderschöne Zeit des Erwachens, voller Freude und Begeisterung. Heute sind wir gesättigt – Wein ist in der Wahrnehmung technischer und oft unemotional geworden. Dabei sollte er ein Wunder bleiben, das jedes Jahr neu entsteht. Ich habe viele junge, unbekannte Weingüter entdeckt, und das möchte ich nicht missen.
Welche überraschenden oder lustigen Situationen hast du als Sommelière erlebt?
Unsere Gäste suchten bei uns eine Auszeit – und die haben sie bekommen. Menschen haben sich kennengelernt und spontan sehr gemocht (lacht). Einmal war ein bekannter Gourmetjournalist in meiner Weinbar. Er hatte etwas zu viel getrunken und versuchte, aus dem Serviettenständer zu trinken. Es gab so viele lustige Momente, die ich nie vergessen werde.
Warum sollten junge Menschen Sommelière oder Sommelier werden?
Weil dieser Beruf glücklich macht. Es ist schön, Dienstleister zu sein. Man sollte nicht denken, dass der Job nicht zu einem passt – selbst die besten Winzer der Welt schenken jeden Tag Wein aus.
von Bernhard Degen
bezahlte Einschaltung, in Zusammenarbeit mit der Sommelier Union Austria













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