26.08.2021
Er ist der Zurückhaltende, Leise unter Österreichs weißen Rebsorten und wird deshalb oft unter seinem Wert gehandelt. Zug um Zug verschwand der Neuburger in der Vergangenheit aus den heimischen Weingärten. Heute gibt es eine zarte Renaissance des urösterreichischen Weins.
Es fallen Attribute wie zurückhaltend, fein und ruhig, aber auch mineralisch, druckvoll, burgundisch oder ananas- und melonenfruchtig. Die heimische Sommelier-Union traf sich wieder einmal, wie in den letzten Monaten Tradition geworden, zur Weiterbildung im virtuellen Verkostungsraum. Es war das bereits neunte Online-Tasting, organisiert von den Regionalverbänden Oberösterreich und Salzburg. Im Vorfeld erhielten die Teilnehmer per Post acht Weine, in Stiftler abgefüllt, natürlich anonymisiert, aber nummeriert und mit QR-Code etikettiert. Darunter, um es nicht ganz so einfach zu machen, auch zwei Piraten, sprich Weine anderer Sorten mit ähnlicher Aromatik. Als bewährter, eloquenter Conferencier fungierte einmal mehr Thomas Breitwieser, Vize-Präsident des Regionalablegers Oberösterreich. Aus den Weinbaugebieten dazu geschaltet waren Winzer wie Erwin Tinhof, Österreichs Mister Neuburger, der seit vielen Jahren die Flagge für die besondere Rebsorte hochhält, sowie Josef Mantler, Gernot Heinrich, Kurt Feiler, Katharina Tinnacher, Christian Reinisch und Martin Mittelbach. Die fachkundige, sensorische Analyse – mit der Aufgabe, zu erkennen, welche Probe von welchem Weingut stammt – kam von Josef Neulinger – Gault&Millau Sommelier des Jahres 2018 (Almhof Schneider, Lech am Arlberg & Gasthof Neulinger, Weitersfelden, Titelbild rechts) und Helmut Rodlberger (Gut Brandlhof, Saalfelden, Titelbild links). Bravo, die Beiden machten einen souveränen und sehr sympathischen Job. Ein Gewinn für die zuschauenden Kollegen, die hier einmal mehr lernen konnten, wie professionell und gleichzeitig völlig unprätentiös sich ein Sommelier in der Blindverkostung dem Wein nähern kann. Nach knapp zwei Stunden Verkostung gab es die Auflösung.
Die Legende vom angeschwemmten Rebbündel
Österreich ist reich an autochthonen Rebsorten. Dazu gehört unter anderem der Grüne Veltliner, der Rotgipfler, der Zierfandler und auch der Neuburger. Das Wort „autochthon“ entspringt dem altgriechischen Wortstamm und meint zusammengesetzt aus „autós“ = „selbst“ plus „chthón“ = „erde“ so viel wie „alteingesessen“ oder „heimisch“. Der Neuburger ist laut Genuntersuchungen eine Zufallskreuzung aus dem Silvaner x Roten Veltliner. In Österreich macht er nur 1,1 Prozent der Rebfläche aus und wird hauptsächlich im nördlichen Burgenland, in der Thermenregion sowie der Wachau angebaut. Dort soll er laut einer Überlieferung auch das erste Mal aufgetaucht sein: Zwei Wachauer Weinbauern, die nebenbei als Schiffer arbeiteten, hätten in den 1860er Jahren in Arnsdorf ein Rebbündel aus der Donau gefischt, die Stecklinge vermehrt und ausgepflanzt. Der Name Neuburger kommt vermutlich daher, dass die Rebe nach Spitz gebracht wurde, wo sie bei der Ruine „Neuburg“ – im Volksmund „Burg“ genannt – das erste Mal ausgesetzt wurde. Eine schöne Legende. Vielleicht hat der Neuburger aber auch seine Geburtsstätte in Klosterneuburg bei Wien.
Der kühle Teil der Wachau als Wohlfühlort
Die Wachauer Weinbauern erzählen davon, dass die Sorte früher im gesamten Gebiet heimisch war. Sie wurde nur ganz einfach vom populäreren Riesling und Grünen Veltliner abgelöst. Heute steht sie fast ausschließlich im Spitzer Graben – einem acht Kilometer langen Wachauer Seitental – das auch als kälteste Zone der Region gilt. Der als relativ krankheitsresistent und genügsam bekannte Neuburger hält sowohl Dürre, als auch Hitze und Kälte gut aus. Kaum eine andere Sorte verträgt das Karge des Spitzer Grabens so gut. Der Neuburger liebt kalkreichen Boden. Deshalb gedeiht er auch am Leithaberg ausgezeichnet. Dort gibt es übrigens die einzige DAC, für die die Sorte Neuburger zugelassen ist. Im spannungsreichen Terroir zwischen See und Leithagebirge entstehen salzige, burgundische Neuburger-Weine mit Tiefgang.
Einst das Synonym für lieblichen Wein
Das Geschmacksbild vom „süffigen“ Wein mit Restsüße machte den Neuburger in der Vergangenheit zu einem echten Bestseller. „Er war sogar eine Zeit lang „das“ Synonym für lieblichen Wein. Nach den Kriegsjahren wurden „süßliche“ Weiße besonders stark nachgefragt. Das war aber auch gleichzeitig Teil des Niederganges der Sorte. Der Neuburger hat den ihm aufgedrückten Restsüße-Stempel, nur sehr schwer wieder losbekommen“, sagt Erwin Tinhof. Der Eisenstädter Winzer ist einer der wenigen, die trotzdem immer an der Sorte festgehalten haben. Er hat seine Neuburger-Rebfläche sogar sukzessive auf fünf Hektar ausgeweitet. „Für mich ist die Entscheidung Neuburger neu auszupflanzen ein eindeutiges Statement zur Wiederfindung der Region“, meint Tinhof weiter. Neuburger eignet sich nebenbei auch gut, um ihn auf der Maische auszubauen. Eine gut dosierte Gerbstoffstruktur gibt dem Wein eine zusätzliche Dimension.
Vom Lumpentürl, das keiner mehr haben wollte
Auch in der Thermenregion südlich von Wien galt der Neuburger immer als wichtiges Thema. Er war der Hauptbestandteil des „Badener Lumpentürl“, einem vor vielen Jahren bekannten Markenwein vom Rang eines „Brünnerstrassler“ oder „Gumpldskirchner“. Der Name „Lumpentürl“ entstand als Baden noch mit Mauern umgeben war und die Stadttore bei einbrechender Dunkelheit geschlossen wurden. Wer außerhalb gezecht hatte, nahm einen kleinen, speziell für den Anlass geschaffenen Durchbruch in der Stadtmauer, der heute noch in der Pfarrgasse zu sehen ist.
Neuburger als genialer Partner zur Heimatküche
Die Rebsorte wird leider nach wie vor zu wenig wertgeschätzt und ist sowohl beim Gastronomen wie auch beim Weintrinker kaum präsent, dabei sind die Weine geniale Speisenbegleiter. Kaum eine andere Sorte eignet sich besser als Partner zur Heimatküche. Besonders zum Gebackenen, wie Schnitzel und Backhendl ist der Neuburger mit seiner fülligen und gleichzeitig feinen Art unschlagbar. Zudem gilt er als „perfect match“ zu Innereien wie Kalbsbries oder Hirn. Im Frühling ist die Harmonie von weißem Spargel mit Butter oder Hollandaise pure Harmonie. Im Sommer und Herbst macht sich der Wein perfekt zu Eierschwammerl und Co. Unbedingt sollte man den Neuburger auch zu gereiften Weichkäsen probieren.
Text: Petra Bader
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