11.08.2022

Zu Besuch bei den Wein-Schatzsuchern

“trinkreif”-Geschäftsführer Clemens Riedl über verborgene Weinkeller, Investitionen in Rising Stars und Warten als Dienstleistung.

Gerhard Triebaumer, Clemens Riedl und Lukas Pichler
Gerhard Triebaumer, Clemens Riedl und Lukas Pichler © trinkreif

“In der IT hat mich niemand umarmt”. Clemens Riedl bringt die Unterschiede zweier Branchen im Gespräch mit Gault&Millau auf den Punkt. Der Co-Geschäftsführer von “trinkreif”, dem Experten für gereifte Weine, kommt ursprünglich aus der IT-Branche und kann seine Erfahrungen in seinem neuen Business gut gebrauchen. Wirklich glücklich gemacht haben ihn seine früheren Aufgaben aber nicht. Ganz anders ist es mit dem so emotionalen Thema Wein: “Es ist das schönste in meinem Job, wenn ich Kunden mit Raritäten eine Freude machen kann. Wir teilen Liebe und Leidenschaft zum Produkt.” Das unmittelbare Feedback, die geteilte Glückseligkeit, wenn eine 40 Jahre alte Flasche “singt”, das sind auch die Gründe warum der Weinhändler auch immer wieder Verkostungen organisiert. 

Eine derartige Verkostung ist wie eine Reise in die Weinbaugeschichte, zumindest wenn es um die historische Vertikale mit zahlreichen Jahrgängen von Riesling und Grüner Veltliner Unendlich von F.X. Pichler und mit Blaufränkisch Mariental von Triebaumer geht. Bei der Verkostung im Juni wurden Legenden wie der Unendlich Premierenjahrgang 1998 und der Blaufränkisch Mariental 1986 (aus der Magnum) verkostet. Letzterer gilt als Initialzündung des österreichischen Rotweinwunders und erster Rettungsanker nach dem Weinskandal. Lucas Pichler vom Weingut F.X. Pichler sowie Stephanie und Gerhard Triebaumer vom Weingut Ernst Triebaumer waren persönlich anwesend und teilten einige Glücksmomente mit den anderen Verkostern.


Ein Teil des
Ein Teil des "trinkreif"-Teams © trinkreif

Nicht jeder kann sich einen Weinkeller leisten

Dass das Geschäft mit gereiften Weinen mittlerweile so gut funktioniert, liegt einerseits an der Cleverness der beiden Gründer Clemens Riedl und Markus Inzinger. Und andererseits auch daran, dass mit den Weinen auch viele Weingenießer gereift sind. “Ein Wein wird dann spannend, wenn die Frucht zurück geht”, schwärmt Riedl. Das eröffnet viele neue Geschmacksnuancen und Harmonien, die zuerst überdeckt sind. Zeit und Geduld sind die wichtigsten Business-Koeffizienten von “trinkreif”. “Wir übernehmen für unsere Kunden das Warten. Das ist unsere wichtigste Dienstleistung”, sagt der Weinsammler. Nicht jeder kann es sich leisten, vielversprechende Weine mit großem Potenzial über Jahre und Jahrzehnte unter perfekten Bedingungen bis zur idealen Trinkreife zu lagern.

Damit sich “trinkreif” das Investieren in eine “Genussrendite” leisten kann, dazu bedarf es einer beträchtlichen Finanzkraft, das meiste Kapital schlummert schließlich in den Kellern. Wenn einem ein Bordeaux-Keller um 600.000 Euro angeboten wird, dann muss man das auch finanzieren können. Riedl und Inzinger haben daher neben der operativen Gesellschaft eine eigene Investmentgesellschaft als OG gegründet, die über eine Anleihe finanziert wird für welche die beiden sogar mit ihrem Privatvermögen haften. Weinkauf ist schließlich Vertrauenssache. Um einen regelmäßigen und verlässlichen Geschäftsgang zu gewährleisten genügt es nun nicht mehr, sich auf den Kauf von Sammlungen und Verlassenschaften zu konzentrieren. Das “trinkreif”-Team kauft daher auch gezielt auf dem Primärmarkt ein und legt die Weine für einen angemessen Zeitraum beiseite. Unterschieden wird dabei in Blue Chips (siehe Verkostung oben), Blue Chips 2. Reihe, Rising Stars und Potential Stars.

Zukunftshoffnung Blaufränkisch

Dass das Geschäft mittlerweile gut funktioniert, darauf deuten aktuelle Kennzahlen hin. Mit neun Mitarbeitern werden bis zu 450.000 Euro Umsatz pro Monat gemacht. Rund die Hälfte davon sind Privatkunden, Gastronomie und Handel machen jeweils ca. 25% aus.

Riedl stellt dazu trocken fest: “Finanziell besonders interessant sind die, die mehr als 100.000 Euro pro Jahr für Wein ausgeben. Das gibt es. Es gibt sogar Weinrunden, die trinken Weine im Wert von 50 bis 70.000 Euro an einem Tag!”

Uns interessiert, welche Rolle österreichische Weine am weltweiten Sekundärmarkt spielen. Clemens Riedl berichtet von nachhaltigem Interesse der Gastronomie, besonders gereifte Wachauer werden von internationalen Spitzen-Restaurants nachgefragt. Das Reife-Potenzial für österreichische Weißweine sei generell enorm. Für Wein-Investoren spielen österreichische Weine neben Bordaux und Burgund eine untergeordnete Rolle. Große Hoffnungen setzen die Wein-Veranlager allerdings in eine rote Rebsorte: “Wir glauben an die Aktie Blaufränkisch!”


Clemens Riedl und Markus Inzinger mit ihren Schätzen
Clemens Riedl und Markus Inzinger mit ihren Schätzen © trinkreif

Gehobene Schätze

Das spannendste an der Arbeit ist für das “trinkreif”-Team jedenfalls immer noch der Ankauf von Kellern. Clemens Riedl berichtet mit leuchtenden Augen von überraschenden Fundstücken.

“In einem alten Gasthaus in Niederösterreich sind wir auf eine unglaubliche Menge von 400 Flaschen Dom Pérignon aus den 80er-Jahren gestoßen, die waren bei neun Grad perfekt gekühlt! Ein lokaler Elektrohändler in der Steiermark hatte eine einzigartige Sammlung mit den teuersten Weinen der Welt, von Romanée Conti bis Petrus – wie in einem Schrein aufgebahrt. Unser spannendster Fund war aber vermutlich in einem Weinkeller in Niederösterreich, der nach einem Wassereinritt jahrelang mit Schlamm bedeckt war. Das hat die Weine perfekt konserviert. Hunderte Flaschen von Knoll und Kollwentz bis Opus One waren im Idealzustand!”

Letztlich ist es trotz aller Erfahrung auch ein wenig Glücksache, ob eine jahrzehntelang gereifte Flasche noch gut ist, es handelt sich schließlich um eine Naturprodukt. Riedl beschreibt die entscheidenden Situationen so: “Wenn der erste Schluck aus einer Probeflasche genial ist, dann ist das ein echter Glücksmoment!”

trinkreif.at

von Bernhard Degen

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