01.08.2023

Nachhaltigkeits-Experin Martina Hörmer im Interview

Die Vorkämpferin für Bio-Lebensmittel im Einzelhandel erörtert die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit in der Gastronomie und begrüßt die Grüne Haube von Gault&Millau.

Martina Hörmer
Martina Hörmer / Foto beigestellt

Martina Hörmer steht wie kaum eine andere Persönlichkeit als Verfechterin von biologischer Landwirtschaft und den Handel mit biologischen Lebensmitteln. Fast zwei Jahrzehnte lang leitete sie die Geschicke der REWE-Eigenmarkte Ja! Natürlich und war an der Erfolgsgeschichte Österreichs als Bio-Musterland wesentlich beteiligt. Nicht zuletzt deshalb wurde ihr im Jahr 2020 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Jetzt ist sie strategische Beraterin für grüne Markenbildung. Im Gespräch mit Gault&Millau beleuchtet sie die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit in Gastronomie und Hotellerie. 

Gault&Millau: Wie wichtig ist für Sie Gastronomie einerseits als Abnehmer von Bio-Produkten und andererseits als Vorbild für die Verwendung selbiger?

Martina Hörmer: Österreich hat sich weltweit als Bio-Musterland etabliert, der Anteil von biologischer Landwirtschaft beträgt über 25 Prozent. Die Corona-Zeit hat zu einem wahren Bio-Boom im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) geführt. Es war mehr Haushaltsbudget verfügbar und dieses wurde in zu einem guten Teil in Bio-Lebensmittel investiert. Nach Corona ist der Bio-Konsum im LEH logischerweise wieder gesunken, daher ist es wichtig, dass der Bio-Anteil im Außer-Haus-Verzehr zunimmt. Die Gastronomie ist für die Bio-Landwirtschaft ein wesentlicher Absatzmarkt.

Hinzu kommt, dass viele Leute Bio-Produkte in der Gastronomie kennenlernen. Was die Auszeichnung der Lieferanten auf der Speisekarte betrifft lässt sich feststellen, dass regional gut ist, die Königsklasse ist aber regional plus bio plus saisonal.

Spielt die Spitzengastronomie bei der Forcierung von Bio-Lebensmitteln eine besondere Rolle?

Wenn man sich besonderen Genuss leistet, dann möchte man auch besondere Qualität, damit landet man automatisch im Bio-Bereich. Biologische Lebensmittel werden in der Spitzengastronomie immer mehr ausgezeichnet, zum Beispiel Fleisch von besonderen Schweinen. Spitzengastronomie definiert sich verstärkt durch die Verwendung von biologischen Lebensmitteln. 

Steht der Konsum von (teureren) Bio-Produkten im Spannungsfeld mit hoher Inflation?

Ja, im LEH hat man schon stark bemerkt, dass die Leute sparen müssen. Vermutlich trifft es auch auf die Gastronomie zu. Allerdings muss man sagen, dass Preissteigerungen im Bio-Bereich geringer ausgefallen sind, als im konventionellen Bereich, der viel energieintensiver ist. Alleine die Produktion und Ausbringung von Düngemitteln braucht viel Energie. Dennoch: Jene, die von Bio überzeugt sind, kaufen weiterhin Bio-Produkte. Auch die Gastronomie muss schärfer kalkulieren, aber wer saisonal kauft, kauft auch am billigsten. Lebensmittel, die nicht Saison haben, sind natürlich teurer.

Was sind für Sie entscheidende Kriterien, um einen Gastronomie-Betrieb als positives Beispiel für Nachhaltigkeit einzustufen?

Hier kann man sicherlich die Kriterien der nachhaltigen und ethischen Praxis von Unternehmen hernehmen: ESG – Environmental, Social und Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Auf die Gastronomie umgelegt würde ich zuerst die Speisekarte hinsichtlich Regionalität, Saisonalität und Bio-Anteil beurteilen. Dann würde ich auf soziale Ausgewogenheit achten. Wie sind die Arbeitszeiten, welchem Druck sind die Mitarbeiter ausgesetzt? Da fällt mir das Beispiel Noma ein, die sind wegen ihrer zweifelhaften Mitarbeiterführung sehr unter Druck geraten. 

Außerdem müssen Faktoren wie Energie, Wasser, Abfallmanagement etc. beurteilt werden. Wie verwertet die Küche die Lebensmittel, arbeitet sie Nose to Tail?
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, bei Nachhaltigkeit geht es auch immer im die Frage, ob ich selbst die Verantwortung nehme.

Was denken Sie, was sind für Gastronomen die entscheidenden Motive, um einen Betrieb auf maximale Nachhaltigkeit umzustellen?

Ich sehe hauptsächlich zwei Motive: Entweder jemand ist überzeugt, nimmt das Gebot der Stunde wahr und übernimmt Verantwortung. Andererseits kann man das Nachhaltigkeitsthema dazu nützen, um einen Wettbewerbsvorteil herauszuarbeiten. Das beginnt schon beim Recruiting, beim Finden von Mitarbeitern. Dabei kann ein nachhaltig vorbildlicher Betrieb doppelt punkten: Einerseits den Mitarbeitern gegenüber, andererseits auch bei den Gästen.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Bemühungen von Martina und Karl Hohenlohe mit der Vergabe einer Grünen Haube?

Gault&Millau hat einen hohen Stellenwert, eine Auszeichnung ist etwas wonach man strebt. Die Verleihung einer Grünen Haube regt sicherlich viele zum Nachdenken an. Es geht nicht mehr bloß um die Qualität des Essens, es geht auch um Nachhaltigkeit. Viele werden diesen Bereich daher umfassender betrachten.

von Bernhard Degen

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