06.05.2024

Lenz Maria Moser über Weinbau im Wüstenklima

Der Österreicher ist eine der wichtigsten Weinperönlichkeiten Chinas, ihm wurde sogar ein eigenes Château gewidmet: Changyu Moser XV.

Lenz Maria Moser
Lenz Maria Moser © Château Changyu Moser XV

Changyu ist der größte Weinbau-Betrieb Chinas, der sich auf acht Châteaux aufgliedert. Eines davon produziert ausschließlich Brandy. Das riesige Unternehmen erzeugt jährlich rund 100 Millionen Flaschen Wein und 50 Millionen Flaschen Spirituosen. Wie kommt es, dass der Österreicher Lenz Maria Moser einer der führenden Köpfe des Unternehmens geworden ist und dass sogar eines der acht Châteaux nach ihm benannt ist, das Château Changyu Moser XV?

Dazu muss man ein wenig ausholen, denn der Österreich-Bezug von Changyu ist schon über 100 Jahre alt. Das Weingut wurde im Jahr 1892 gegründet, önologischer Berater war damals Maximilian Freiherr von Babo, Sohn des Leiters der Weinbauschule Klosterneuburg. Er brachte Know-How, Hardware und über 100 Rebsorten nach China. Ihm wurde später mit dem Château Changyu Baron Balboa ein Denkmal gesetzt. Dass aus Babo Balboa wurde, hat nichts mit den Rocky-Filmen von Sylvester Stallone zu tun, sondern mit den herausfordernden Übersetzungen von europäischer Schrift in chinesische Schriftzeichen und wieder retour.

Die Geschichte der österreichischen Winzerfamilie Moser ist nachgewiesenermaßen 15 Generationen alt. Darauf nehmen auch die römischen Ziffern des Château Changyu Moser XV Bezug. Wie Lenz Maria Moser zu den Ehren eines eigenen Weinschlösschens kam, wollten wir in einem Interview erfahren.

Château Changyu Moser XV
Château Changyu Moser XV © Changyu

Wie kam es dazu, dass Sie eine der wichtigsten Weinpersönlichkeiten in China wurden?

Ich bin seit 2005 in China. Ich wurde als Consultant angefragt, weil ich davor schon zehn Jahre lang für Mondavi das Europa-Geschäft aufgebaut habe. China liebt Europa! Wir werden nicht als systemischer Rivale wie die USA gesehen. Schöne Autos aus Deutschland und Markenware aus Frankreich sind extrem begehrt. Und ich mag das Volk, ich mag die Leute. Aber ganz oben steht ein großes Dollar-Zeichen. Die Führung von Changyu wollte ihre Spitzenweine zuerst in Europa erfolgreich machen und dann damit den Heimmarkt erobern. Es gelang uns, internationale Top-Bewertungen für den Purple Air (Anm: der Premium-Cabernet des Hauses) zu bekommen. Ich erinnere mich an eine Blindverkostung mit Jancis Robinson, bei der auch Größen wie Lafite, Figeac, Opus One, Pontet Canet etc. dabei waren. Jancis hatte den Purple Air an zweite Stelle gereiht!

Was sind die Vorteile in der chinesischen Wirtschaft? Wie sieht es mit (qualifizierten) Arbeitskräften aus?

In China gibt es drei Unis, die man mit der Weinbauschule Klosterneuburg bzw. der BOKU vergleichen kann, daher gibt es top-qualifizierte Arbeitskräfte. Es kommen jedes Jahr 500 bestens ausgebildete Önologen auf den Arbeitsmarkt.

Wie unterschiedlich funktioniert das Geschäft in China im Vergleich mit Europa?

Verhandeln ist in China ein Kampfsport. Wenn man Schwäche zeigt, wird man aufgefressen. Man muss sehr gut vorbereitet in Verhandlungen gehen und darf nicht von seinem Skript abweichen. Chinesen haben eine ausgeprägte Streitkultur, da kann es auch mal laut werden. Geduld ist eine der wichtigsten Tugenden, Respekt ist eine Währung. Es gilt als unhöflich, “nein” zu sagen, es wird tunlichst vermieden. Ich als Europäer spiele diese Karte sehr wohl aus, weil jeder hat seine rote Linie, die er nicht überschreiten will.

Ich kenne kein stolzeres Volk, sie sind sehr ehrgeizig, aber auch friedliebend. Daher habe ich auch keine Angst vor einem Krieg mit China. Wenn sie jemanden mögen, dann kümmern sie sich umfassbar gut um einen. Man bekommt eine 360 Grad-Betreuung, man wird wie ein Familienmitglied behandelt.

Lenz Maria Moser
Lenz Maria Moser © Changyu

Die kulturellen Unterschiede sind doch immens, was hat sie in China am meistern verwundert?

Mimik und Körpersprache sind in China viel wichtiger, insbesondere, wenn es sprachliche Barrieren gibt. Ich erinnere mich an eine Verhandlung, die schon elf Stunden gedauert hat. Der Akku meines Computers war schon fast leer, da habe ich ihn zugeklappt. Für mein Gegenüber war das ein Zeichen, dass ich die Verhandlungen abbrechen will und er hat sich sofort entschuldigt und kam mir plötzlich sehr entgegen.

Übersetzungen vom Deutschen ins Chinesische und umgekehrt führen ja immer wieder zu Missverständnissen, aber stimmt die Geschichte von Cabernet Gernischt tatsächlich?

Ja, das stimmt wirklich, heute weiß man, dass es gar kein Cabernet sondern Carménère ist. Auch, dass aus dem Freiherrn von Babo ein Baron Balboa wurde, stimmt so.
(Anm.: In China ist die Rebsorte Cabernet Gernischt weit verbreitet. Der Name geht auf Freiherr von Babo und eine verunglückte Übersetzung von “Cabernet gemischt” zurück. Lange glaubte man, es handle sich um eine Kreuzung von Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. DNA-Analysen ergaben aber, dass es sich um die alte französische Sorte Carménère handelt, die heute vor allem in Chile kultiviert wird.)

Gibt es Unterschiede im Trinkverhalten bei Chines*innen und Europäer*innen?

Je betrunkener man bei einem Dinner ist, desto mehr Wertschätzung zeigt man. Ich habe schon Termine erlebt, so manche nicht mal mehr stehen konnten. Es ist heute nicht mehr so extrem, aber es gab früher legendäre Besäufnisse. Ich habe das Glück, dass ich meistens mehr vertrage.

Château Changyu Moser mit Weingärten
Château Changyu Moser mit Weingärten © Changyu

Wie ist Changyu strukturiert, was sind die wichtigsten Rebsorten und Weine?

Changyu ist ein großes Unternehmen, acht Châteaux hängen oben drüber. Eines davon ist mit 250 Hektar nur der Brandy-Produktion gewidmet. Ich bin für Châteaux Changyu Moser XV verantwortlich, aktuell verarbeiten wir nur Cabernet Sauvignon. Daraus machen wir auch Weißwein, ein Drittel der Ernte wird weiß gepresst (Anm: Der Kontakt des Mostes mit den Beerenschalen ist so kurz, dass keine rote Farbe extrahiert wird). Das macht keiner weltweit.

Unser wichtigster Wein ist der Purple Air. Ich habe insgesamt 19 Weine aktuell im Billa Corso Hoher Markt gelistet, abgesehen davon gibt es meine Weine bei Transgourmet, Del Fabro und in der Interspar Weinwelt.

Was sind die önologischen Herausforderungen an Ihrem Standort?

Wir liegen auf einer Seehöhe von 1.100 Meter am Rande der Wüste Gobi. Wir haben teilweise Temperaturschwankungen zwischen 35 Grad am Tag und 20 Grad in der Nacht. Daher nennen wir es auch das Napa Valley von China. Im Winter hat es Minus 25 Grad, da müssen wir die Rebstöcke runterbiegen und eingraben, damit sie nicht abfrieren. Daher müssen wir auch einen Rebzeilen-Abstand von 3,5 Metern einhalten. Bei der Ernte ist das Timing extrem wichtig. Durch die Trockenheit und geringe Luftfeuchtigkeit sind unsere Cabernet-Beeren die kleinsten der Welt. Aus der Wüste weht ein trockener, heißer Wind, wenn wir uns nur zwei Tage zu lange Zeit lassen, bleiben nur noch Rosinen übrig.

Meine Stärken sind das Barrel-Management und das Cuvéetieren, womit wir unsere eigene Stilistik herausarbeiten wollen. Unser Ziel sind Weine mit einem Füllhorn an Frucht, das wir mit der typisch chinesischen Würze überziehen wollen. Gleichzeitig wollen wir die Weine nicht überladen, sondern elegant halten.

Was wird die Zukunft auf Changyu bringen?

Es werden weitere Sorten wie Merlot, Syrah, Marselan und mehr geben. Auch hier findet eine dramatische Klimaveränderung statt, darauf müssen wir reagieren. 


Interview von Bernhard Degen

 

Auf dem Laufenden bleiben

Melden Sie sich kostenlos für unseren wöchentlichen Newsletter an.