20.08.2024

Evelyn Merc: Sommelerie statt Archäologie

Die bekannte Grazer Sommelière verrät im Interview, wie sie in ihrer Weinbar positives Lebensgefühl vermittelt und Menschen glücklich macht.

Evelyn Merc
Evelyn Merc © Klapotetz Weinbar

Evelyn Merc betreibt seit vielen Jahren die Klapotetz Weinbar in einem malerischen Innenhof im Herzen von Graz. Nach einer klassischen Ausbildung in Bad Gleichenberg fand sie rasch die Liebe zur Sommelerie, die sie u.a. am Arlberg, in Salzburg oder am Weingut Polz in der Südsteiermark ausleben konnte. Nach der Familie gehört ihr Herz der südsteirischen Weinbauregion, von wo sie nicht nur die besten Weine, sondern auch eine zünftige Jause nach Graz bringt. Im Gespräch mit Gault&Millau erzählt sie, wie sie zur Sommelerie kam, wie sie den Nachwuchs motiviert und was wir von den Jungen lernen können. 

Wann und warum fiel bei Ihnen die Entscheidung, Sommelière zu werden?

Eigentlich wollte ich ja Archäologin werden, aber wegen besserer Berufsaussichten habe ich mich dann doch für die Tourismusschulen Bad Gleichenberg entschieden. Mein Servierlehrer hat mir aber bescheinigt, dass ich für das Service schwerst unbegabt war und mir die Rezeption empfohlen. 1993 habe ich im Schloss Mönchstein in Salzburg begonnen und dennoch im Service ausgeholfen. Dort hat man bemerkt, dass ich die Weine alleine durch den Geruch und die Farbe unterscheiden konnte. Da bin ich selbst drauf gekommen, dass ich etwas besser konnte als alle anderen. 

Dabei hat mir meine Umgebung und mein Umfeld sehr geholfen. Ich stamme aus Heimschuh in der Südsteiermark, aus einer Weinregion. Meine Mama war regelmäßig Lesehelferin und wir Kinder haben mitgemacht, als Lohn gab es eine gute Jause. Außerdem habe ich oft bei Buschenschänken und Festen gearbeitet, um mir Taschengeld zu verdienen, da wurde immer Wein getrunken.

Was lieben Sie an Ihrem Job / Ihrer Berufung?

Die Arbeit mit Wein wird nie langweilig oder eintönig, die Bandbreite und Vielfalt ist riesig. Wir wechseln zudem alle zwei Wochen die Weinkarte. Ich habe die Steiermark schon mehrfach neu kennen gelernt. Es passiert immer etwas Neues.

Abgesehen davon, in meinem Job kann man Leute glücklich machen. Die allgemeinen Lebensumstände sind gerade nicht lustig, aber bei mir kann man immer einen schönen Abend verbringen.

Galerie

Innenhof in der Grazer Herrengasse
Innenhof in der Grazer Herrengasse © Klapotetz Weinbar
Innenansicht
Innenansicht © Klapotetz Weinbar
© Klapotetz Weinbar
© Klapotetz Weinbar

Welche Eigenschaften sollte eine gute Sommelière / ein guter Sommelier haben?

Ein Sommelier muss die Kunst beherrschen, jedem Gast den Wein zu servieren, den er haben will. Man muss ein wenig Psychologe sein. Ein guter Sommelier holt den Gast schon beim ersten Getränk ab, ohne jemanden zu belehren. Niemand will belehrt werden! 

Was sind die größten Herausforderungen im Alltag?

Die Buchhaltung und die Lohnverrechnung!

Oder spontane Herausforderungen: In unserem Innenhof finden regelmäßig Jazzkonzerte statt, wenn es da einen Platzregen gibt, dann muss man damit umgehen können. Der Gast darf aber nicht merken, dass etwas nicht in Ordnung ist. Man muss aus Problemen gute Lösungen machen und das ohne jede Aufregung. 

Die Trends in der Weinbranche wechseln schnell, wie halten Sie sich am Laufenden?

Ich informiere mich über Fachmedien, über Falstaff, Gault&Millau, Zeitschriften und über Social Media. Insbesondere aber im Austausch mit Kollegen und Winzern.

Viele Trends sind sicher vernachlässigbar, aber welche haben für Sie Relevanz?

Man muss nicht jeden Trend mitmachen, sonst verwässert man sein eigenes Profil. Für mich als steirische Weinbar ist aber sehr zentral, dass der Blaue Wildbacher neu entdeckt wird. Eine sehr coole Rebsorte, die eigentlich nur überlebt hat, weil sie extrem winterhart ist. Mit dem Klimawandel und weiterentwickelter Kellertechnik entstehen aber ganz neue Möglichkeiten. Wildbacher weiß gepresst, rosé (Anm.: Schilcher!), ein ganz toller Rotwein mit vielen Parallelen mit Nebbiolo, super Sekt, Süßwein und sogar Schilcherbier wird schon gemacht. Als zweiten Trend muss ich Sauvignon Blanc nennen, mit den sensationellen Ergebnissen steirischer Winzer beim Concours Mondial (Anm.: so etwas wie Sauvignon Weltmeisterschaft, die “Sauvignon Selection by CMB”) hat sich die Steiermark als führende Region etabliert.

Sie betreiben eine Weinbar im Herzen von Graz – was machen Sie anders als andere Weinbars?

Zu mir kommen die Gäste wegen steirischem Wein und steirischer Jause, wie bei einer Buschenschank. Fast ausschließlich mit regionalen Produkten, nur der Kaffee kommt aus Italien. Mir wurde am Anfang gesagt, dass ich gleich wieder zusperren kann, wenn ich keinen Prosecco und keinen Aperol anbiete. Aber genau die Betriebe, die austauschbares Programm bieten, sperren schnell wieder zu, mich gibt es schon seit vielen Jahren. Ich nehme nur Weine von Winzern, die ich persönlich kenne. 

Mit welchem Food/Wine-Paring überzeugen Sie Ihre Gäste am meisten?

Welschriesling zu steirischer Brettljause mit Verhackertem. An warmen Tagen ist das das allerbeste!

Wenn es einmal nicht Wein sein soll – welche Getränke finden Sie als Speisebegleiter außerdem spannend?

Wir haben unschlagbare regionale Säfte! Erdbeernektar, Pfirsichnektar, Schilchertraubensaft… Oder echter Himbeersirup, von meiner Jugendliebe gemacht. Da können wir aus dem Vollen schöpfen.

Wie würden Sie den Nachwuchs davon überzeugen, dass Sommelière der schönste Beruf der Welt ist?

Man kann jeden Tag etwas Neues entdecken, jeden Tag die ganze Welt, wenn man will. Ein Sommelier verkauft ein Lebensgefühl und befriedigt nicht bloß ein Grundbedürfnis wie Durst zu stillen.

Umgekehrt habe ich viele junge Mitarbeiter, von denen ich lernen kann.


Über die Sommelier Union Austria

Die Sommelier Union Austria wurde 1998 (als Sommelierverband Österreich) anlässlich der Sommelier Weltmeisterschaft in Wien gegründet. Als Dachorganisation für alle Sommelièren und Sommeliers in Österreich bündelt sie die einzelnen Landesvereine. Seit 2008 ist die Tirolerin Annemarie Foidl Präsidentin der Union und vertritt deren Interessen national und international. Vorrangige Ziele der Vereinigung sind das Fördern der Sommelièren und Sommeliers sowie das Stärken des Berufsbildes in der Öffentlichkeit.

sommelierunion.at

von Bernhard Degen


in Zusammenarbeit mit der

Auf dem Laufenden bleiben

Melden Sie sich kostenlos für unseren wöchentlichen Newsletter an.