25.06.2024

Reimagine Burgenland: Drei Winzer gegen den Strom

Roland Velich, Christian Tschida und Hannes Schuster sehen das gewaltige Potenzial ihrer Region zu wenig ausgeschöpft und geben Denkanstöße.

Christian Tschida, Roland Velich, Hannes Schuster
Christian Tschida, Roland Velich, Hannes Schuster © Reimagine / AkosBurg

“Wir machen Wein. Wir denken darüber nach, wofür unser Wein steht. Wir wollen verstehen, wie unsere Herkunft unseren Wein prägt. Wir denken darüber nach, was Burgenland sein kann.” Diese Auszüge aus dem Manifest von Reimagine Burgenland verraten schon Grundlegendes, warum sich die drei avantgardistischen Winzer zusammengeschlossen haben. Wein- und Kommunikations-Expertin Sylvia Petz wird da noch etwas deutlicher: “Es kann nicht so weitergehen, dass das Burgenland für Standardweine steht, die auf den Markt geworfen werden.”

Eines haben die drei Winzer gemeinsam: Sie machen alles, nur keine Standardweine. Und damit hatten sie es im eigenen Land schwer. Alles, was nicht in eine Schublade passt, bekommt keine Prüfnummer und gilt nicht als Qualitätswein (Lesen Sie auch Chris Yorke über Naturweine). Dafür findet man Weine der Protagonisten auf den Weinkarten der besten Restaurants der Welt. Nur langsam hat man auch in Österreich die radikal herkunftsbezogenen Weine verstanden und spät gefeiert. “Wir wollen das grandiose Weinland Burgenland in seiner Purezza darstellen. Es ist alles da”, unterstreicht Roland Velich. Es versteht sich von selbst, dass massiver Barrique-Einsatz da kontraproduktiv wäre. “Die burgenländischen Winzer sind viel zu oft Trends hinterhergehechelt, ohne ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Drei Mal neues Holz, intensives Toasting, das macht die Weine süßer, noch fülliger und noch austauschbarer”, sagt Hannes Schuster. Roland Velich legt nach: “Wir sind als Produzenten von billigem Rohmaterial kolonialisiert worden.”

Blaufränkisch statt Bordeaux

Von dieser Entwicklung wollen sich die Winzer nachhaltig lösen. Weniger Barrique-Einsatz, weniger Keller-Kosmetik, weniger internationale Rebsorten. Es geht den Dreien um Leichtigkeit und Trinkfreude, sie wollen kühlere und elegantere Weine, die man nur mit einer Handvoll Rebsorten umsetzen kann. Das größte Potenzial sehen sie beim Blaufränkisch, aber auch Grüner Veltliner und Schätze wie Welschriesling oder Furmint haben große Zukunft.

Wir wollen für das Burgenland eine Identität schaffen. Das wollen wir gemeinsam und mit voller Energie vorantreiben.
Hannes Schuster

Das Burgenland sehen Velich, Tschida und Schuster dabei deutlich weiter gefasst, als man gemeinhin annehmen würde. “Das Burgenland ist ein Weinbaugebiet, das sich in seiner Geschichte die meiste Zeit NICHT in Österreich befunden hat”, sagt Roland Velich. Wenn es um Herkunft geht, dann kann man ihm zufolge nur den pannonischen Raum bis hin zu den Vulkankegeln von Tokaj als Einheit nehmen. Entsprechende Projekte pflegt Velich in Ungarn. Wenn schon Landesgrenzen keine Rolle spielen, dann ist es nur naheliegend, dass weinpolitische Einschränkungen wie DAC-Korsette und angedachte Lagenklassifikationen abgelehnt werden.

Leicht, kühl, elegant

Christian Tschida wagt mit dem Verweis auf einen Artikel in der New York Times in die Rotwein-Zukunft. Dabei ging es um einen leichten Rotweintyp, der gekühlt getrunken werden soll. Stolz berichtet er, dass dabei acht Weine empfohlen wurden. Acht Rotweine aus dem Burgenland. Vier davon waren von den anwesenden Winzern. Diesen Stil wollen die Weinbauern erlebbar machen, einerseits mit neu gedachten, offenen Tastings, mit Partner-Winzern. Reimagine Burgenland ist aber nicht nur eine Gesinnungsgemeinschaft, sie ist auch eine Vertriebsplattform, die sie befreundeten Winzer*innrn mit ähnlicher Herkunfts-Philosphie zugänglich machen wollen.

Vertreter des neuen Stils
Vertreter des neuen Stils © Bernhard Degen

Bei der Vorstellung ihres ersten Partners werden Velich, Tschida und Schuster ihrem Ruf als Dissidenten gerecht, denn der ausgewählte Wein ist ausgerechnet ein Prosecco (Mongarda Col Fondo). Was wie eine Provokation im Zusammenhang mit dem vorher gesagten wirkt, soll aber ein Beispiel für die freie Partnerwahl sein, wenn es um Herkunft und Stil geht. Ein schlüssigerer Partner sitzt mit Thomas Straka die längste Zeit mit bei Tisch. Der ausgewählte Partnerwein ist der mineralisch geprägte Welschriesling Rechnitz 2023 von kargen Schieferböden und 25 bis 65 Jahre alten Rebstöcken, ein Herkunftswein mit Tiefgang. Nach diesem Muster soll es künftig weitere Weine von Gleichgesinnten im Sortiment von Reimagine Burgenland geben. Die Kern-Botschaft wird dennoch mit den eigenen Weinen am überzeugendsten vermittelt: Velichs Tokajer Furmint Moric 2023 ist eine Ansage – expressive Frucht, traubige Aromen, am Gaumen würzig, mineralisch, straff mit viel Potenzial. Genau darum geht’s.

In dieser Tonart geht es weiter: Moric Somlo Hidden Treasures 2019 feat. Kis Tamás mit 75 Prozent Furmint, 15 Prozent Welschriesling und 10 Prozent Hárslevelű von Basaltböden. Quitte, dunkles Brot und tiefe Mineralik. Tschida Birdscape Pink Maceration 2023, ein 60 Jahre alter Gemischter Satz mit rund zwanzig verschiedenen Sorten, sechs Wochen Mazeration – schwarze Hollerbeeren, rote Rüben; am Gaumen würzig, Wermut und dunkle Kräuter. Und dann ein Blaufränkisch-Statement von Hannes Schuster: Blaufränkisch Burgenland 2021 mit Preiselbeeren und Grenadine in der Nase, vegetabile Würze am Gaumen, frisch, animierende Säurestruktur, straff und mineralisch. A Message in a Bottle. Botschaft angekommen.

reimagine.wine

Weinbezug: Buchhandlung 777, Domgasse 8, 1010 Wien

von Bernhard Degen

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