05.06.2024
Der Gründer des Weinguts Hajszan, in dem jetzt Juan Amador kocht, ist nach Neuseeland ausgewandert und rekapituliert im Gespräch mit Gault&Millau.
“Komm runter, ich muss Dir was zeigen!” Stefan Hajszan erwischt mich in der Redaktion am Handy und testet meine Spontanität. “In einer Stunde bist wieder da”, flunkert er. Es liegt so viel Tatendrang in seiner Stimme, dass ich mich geschlagen gebe und in Hajszans Geländewagen steige. Er führt mich zur Grinzinger Straße 86 und parkt vor einem heruntergekommen Eingang zu alten Kellergewölben, die als Jugendtreff genutzt werden. Eine ausrangierte Couch, entsprechende Graffitis an den Backsteinwänden und manch andere einschlägige Fundstücke sind deutliche Hinweise. “Hier baue ich mein Weingut mit Restaurant”, schwärmt Hajszan leidenschaftlich. Das war 2006. Seither ist viel passiert.
Stefan Hajszan machte seine Ankündigung wahr und baute in Rekordzeit von rund einem Dreiviertel-Jahr einen Gastronomiebetrieb in die Kellergerwölbe und ein Wirtschaftsgebäude für die Weinbereitung davor. Daneben führte er außerdem das Universitätsbräu im Alten AKH und den Gasthof Raxkönig in Schwarzau am Gebirge. Trotz dieser vielfältigen Aufgaben wird Hajszan aber vor allem als Pionier des biodynamischen Weinbaus in Wien in Erinnerung bleiben. Die önologische Verantwortung des Weinguts liegt mittlerweile in den Händen von Fritz Wieninger, der Name Hajszan-Neumann wird bestehen bleiben und steht für Biodynamie und Natural Wines.
“Ich war ahnungslos und ungelernt, als ich mit Weinbau begonnen habe”, erzählt Stefan Hajszan im Gespräch mit Gault&Millau. “Ich hab mir damals ein weit verbreitetes Spritzmittel besorgt. Auf der Packungsanleitung stand, dass man nach der Anwendung vier Tage lang nicht ohne Schutzkleidung in den Weingarten gehen soll. Da habe ich mir gedacht, so einen Wein trinke ich sicher nicht, also musste ich biologisch arbeiten. Bio alleine war aber nicht die Lösung, weil die Böden nachhaltig versaut waren.” Der Neo-Winzer machte sich also auf die Suche nach einer Alternative und fand sie in der Biodynamie und dem Berater Andrew Lorand. Damit war Hajszan der erste Wiener Winzer, der seine Weingärten systematisch nach biodynamischen Richtlinien bewirtschaftete. “Fritz Wieninger war der einzige, der verstanden hat, dass man was ändern muss”, erzählt Hajszan. Er schloss sich im Jahr 2009 der Respekt-Gruppe an.
Doch was war passiert, dass Stefan Hajszan alles verkauft hat und mitsamt seiner Familie nach Neuseeland ausgewandert ist? Ich traf ihn bei einem Heimatbesuch bei der Wagnerin in Wien Döbling und hörte mir seine Geschichte an.
“Das sind alles versaute Lobbyisten-Knechte.” Der Unternehmer wird deutlich, wenn die Sprache auf Politiker*innen kommt. Letztendlich war es Politikverdrossenheit, die ihn dazu trieb, alle Zelte in Österreich abzubrechen. Hajszan erzählt von Behördenschikanen, die insbesondere Gastronom*innen das Leben schwer machen. “Die Finanzpolizei hegt einen Generalverdacht gegen die Gastronomie und ermittelt überfallartig. Sie haben mir einmal alle Ein- und Ausgänge verstellt und uns wie Verbrecher behandelt. Da ist so viel schief gegangen”, erinnert sich der ehemalige Gastwirt. Auf die Enttäuschung folgten Resignation und die Hoffnung, dass es am anderen Ende der Welt besser sein muss. 2014 verkaufte er alle seine Besitztümer in Österreich. Das Weingut an der Grinzingerstraße ging an Fritz Wieninger, der mit Juan Amador wiederum den besten aller möglichen Pächter gefunden hat. Sein zielstrebiger Weg zu drei Sternen und fünf Hauben ist mittlerweile ein wesentliches Kapitel der heimischen Gastronomiegeschichte.
Hajszan hat sein Unternehmer-Gen in Neuseeland weiter ausgelebt und seinen Traum von einer “kleinen Südsteiermark” umgesetzt. Er hat Weingärten ausgepflanzt und kleine Lodges für Öno-Touristen gebaut. Doch das Klima zeigte sich für Weinbau zu herausfordernd und dann kam auch noch Corona. Die Weingärten sind mittlerweile gerodet und Weiden für Schafe sowie Rinder gewichen; die Lodges sind dauervermietet. Hauptberuflich arbeitet der Wahl-Kiwi mittlerweile im Hopfenanbau und würde sein Know-how gerne auch österreichischen Brauern anbieten. “Neuseeland ist bei Craft Beer viel weiter als wir”, ist er überzeugt.
Aber Weinmachen können wir in Österreich besser.”
Aktuell hilft Hajszan bei Fred Loimer aus, einem biodynamischen Winzer in Langenlois, von dem er große Stücke hält. Wenn er in Wien bei seinen Parade-Lagen wie Haarlocke, Weisleiten oder Gollin vorbeispaziert, dann packt ihn Wehmut: “Es tut ein bisschen weh, weil ich sie ausgesetzt hab. Es tut aber auch nicht weh, weil die Weingärten sind super beinand. Die Weine gefallen mir wahnsinnig gut, da bin ich schon stolz.”
Noch nicht ganz, aber ein wenig wirkt Stefan Hajszan mit seiner Heimat versöhnt. Andererseits hat er in Neuseeland eine neue Heimat gefunden. Mit der Politik ist er dort auch nicht glücklich, aber “landschaftlich ist es wunderschön”. Am meisten vermisst er aber gesellige Runden wie er sie in Österreich sofort wieder vorgefunden hat. Wo er seine Zukunft verbringen will, weiß er jetzt erst recht nicht.
Wenn Neuseeland nur ein bisschen näher bei Österreich liegen würde.”
von Bernhard Degen
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