10.01.2025

Wenn Diego Maradona Sommelier wäre

Die argentinische Sommelière Ivanna Kuspita über ihre Erfahrungen in Österreich und welchen Einfluss Fußball und Wein auf ihr Leben haben.

Ivanna Kuspita
Ivanna Kuspita © Foto beigestellt

„Ich bin Argentinierin, natürlich verehre ich Diego Maradona und Lionel Messi“, schwärmt Ivanna Kuspita im Gespräch mit Gault&Millau. Auf den ersten Blick mutet es überraschend an, wenn sich ein Mitglied des „Female Wine Collective“ als glühender Fan zweier männlicher Fußball-Ikonen outet. Doch wenn man versteht, dass es sich de facto um Nationalheilige handelt, dann ist es mehr als nachvollziehbar.

Ivanna Kuspita war zuletzt im Landhaus Bacher als Sommelière tätig und überlegt nun, in einem weniger bekannten Betrieb eine herausragende Weinkultur zu etablieren. „Als Maradona von Barcelona nach Neapel ging, hat das auch keiner verstanden. Aber dann gewann er für die Italiener den ersten Meistertitel!“ Für Nicht-Fußballfans übersetzt: Maradona war Star beim begehrtesten Verein Europas und wechselte zu einem italienischen Abstiegskandidaten. Dort läutete er eine goldene Ära ein, von der die Neapolitaner*innen immer noch träumen. 

Die temperamentvolle Argentinierin Ivanna Kuspita hat viel Schwung und neue Blickwinkel in die heimische Sommellerie gebracht. Im Interview erzählt sie ihre Geschichte und gibt Einblicke in ihre Philosophie.

Gault&Millau: Wann und warum fiel bei Dir die Entscheidung, Sommelière zu werden?
Während meiner Studienzeit in Wien. Ich habe Kultur- und Sozialanthropologie an der Uni Wien studiert und eigentlich nur nebenbei in der Gastronomie gearbeitet. Damals wollte ich nur einen Weinkurs machen, weil es Spaß gemacht hat, und ich habe entdeckt, wie die Anthropologie sich sehr gut mit der Weinkultur ergänzt. Da war es für mich klar, dass ich es nicht nur leidenschaftlich, sondern auch wissenschaftlich weiterverfolgen werde. So habe ich mich dafür entschieden, die Ausbildung weiterzumachen.
(Anm.: Aktuell arbeitet Kuspita am Abschluss der Weinakademie.)

Wie waren Deine ersten Schritte in der Sommelerie?
Ich habe in Hotels beim Frühdienst (Frühstück) angefangen. Einmal musste ich im Spätdienst einspringen und habe damals mit dem À-la-carte-Service begonnen.

Im Hotel Kempinski hatte ich die Möglichkeit, mehr mit der gehobenen Gastronomie zu tun zu haben. Dort habe ich Disziplin und perfektes, hochqualitatives Service gelernt. Damals habe ich gemerkt, was die Komplexität eines guten Service ausmacht.

Ivanna Kuspita
Ivanna Kuspita © Foto beigestellt

Wenn Du die Sommellerie in Südamerika mit der in Europa vergleichst, was sind die markantesten Unterschiede?
Ich kann nicht allgemein von Südamerika sprechen, weil es in jedem Land anders ist. Südamerika ist groß und vielfältig!

Was Argentinien betrifft, ist die Sommellerie relativ neu, aber ein sehr wachsender Beruf.
Im Vergleich zu Österreich sind mehr Frauen als Männer in diesem Beruf tätig, und viele davon haben es an die Spitze der Welt geschafft (Paz Levinson und Valeria Gamper wurden beide beste Sommelières Argentiniens. Paz Levinson erreichte 2016 sogar den 4. Platz, und Valeria Gamper 2023 den 6. Platz unter den besten Sommeliers der Welt). Sie sind nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch eine große Inspiration für mich.

Bezüglich der Ausbildung muss man sich während der Studienzeit viel auch mit Cocktails beschäftigen; hier lernt man hauptsächlich alles, was mit Wein zu tun hat.

Der Service in der gehobenen Gastronomie ist persönlicher, freundlicher und nicht so steif.
Die Weinkarten sind vielfältiger (autochthone Rebsorten, Weinstile usw.), und die Gastronomie ist allgemein experimenteller. In vielen Ländern Europas beschränkt man sich auf die traditionelle Küche und begleitet diese mit konventionellen Weinen. Da dieses Feld bei uns eher neu ist, haben wir den Konflikt „Tradition vs. Innovation“ nicht.

Restaurants in Argentinien, wie das Catalino von den Tejerina-Schwestern oder das Aramburu von Gonzalo Aramburu, sowie Manu Buffara und Alex Atala in Brasilien und Virgilio Martinez in Peru, sind gute Beispiele dafür.

Welche internationalen Trends werden in Österreich noch mehr Bedeutung bekommen?
Alkoholfreie Getränke und Weine mit weniger Alkoholgehalt – sie sind trinkfreudig und Allrounder als Speisebegleiter.
Weine mit hohem Alkoholgehalt und viel Holzeinsatz werden immer weniger von der neuen Generation von Konsument*innen getrunken.

Was liebst Du an Deinem Job?
Die Möglichkeit zu haben, Wein und alles, was mit der Weinkultur zu tun hat, während eines Weinerlebnisses einem Gast zu vermitteln. Deswegen besuche ich Weinbaugebiete und Winzer*innen, wenn ich kann, um mehr zu lernen, was hinter einem Wein steckt, und die Geschichten der Weine einzufangen. In diesem Sinne bin ich von der Anthropologie noch sehr geprägt und mag es sehr, „Feldforschung der Weine“ zu betreiben.

Wein und Food Pairing ist eine meiner Lieblingsaufgaben, denn es ist sehr experimentell, und man kann kreativ sein, um die Perfektion am Gaumen zu finden und diese dem Gast zu vermitteln.

Was waren Deine schönsten Erlebnisse als Sommelière?
Ich habe viele in Erinnerung. Meistens sind es die positiven Feedbacks der Gäste. Oft habe ich Briefe von Gästen bekommen, in denen sie sich schriftlich für die Service-Bemühungen bedankt haben. Alle Briefe habe ich behalten, und wenn ich schwierige Tage habe, lese ich sie, um mich daran zu erinnern, dass ich den Job gut mache.

Welche Eigenschaften sollte eine gute Sommelière / ein guter Sommelier haben?
Bescheidenheit, Bodenständigkeit und die Fähigkeit, Wein so einfach wie möglich zu erklären und nicht zu fachlich zu kommunizieren.

Im Team kollegial und nett zu sein, im Berufsleben diszipliniert zu lernen und offen für Neues von anderen zu bleiben, ist ebenfalls wichtig.

Was sind die aktuellen Herausforderungen im Alltag?
Die Arbeitsbedingungen der Branche. Der Berufsalltag ist oft stressig, männerdominiert und beinhaltet häufig mehr Service als Sommellerie.

Welches Food/Wine-Pairing ist Dein Favorit?
Wein aus Jerez – Fino oder Manzanilla – zu Sushi. Ich liebe spontane Herausforderungen, wie wenn ein Gast keinen Rotwein verträgt und kurzfristig Alternativen gefunden werden müssen.

Wenn es einmal nicht Wein sein soll – womit überraschst Du Deine Gäste gerne?
Mit fermentierten Getränken wie Kombucha, Tee (still oder sparkling) sowie kaffeebasierten Cocktails. Es hängt vom Gericht und vom Gast ab. Manchmal kommen auch Cocktails mit Gemüse oder Obstsaft vor.

Wie siehst Du als global Player das Standing der österreichischen Sommelières und Sommeliers?
Meine Kolleg*innen genießen international einen hervorragenden Ruf. Bei Wettbewerben sind sie regelmäßig im Spitzenfeld zu finden. Dies ist insbesondere der Nachwuchsförderung, der Weiterbildung und dem Wettbewerbscoaching der Sommelier Union Austria und ihren engagierten Vertreter*innen zu verdanken.

Wie würdest Du den Nachwuchs davon überzeugen, dass Sommelière der schönste Beruf der Welt ist?
Das Erste, was sie wissen müssen, ist, dass man viel lernen und sich ständig weiterbilden muss, weil die Weinwelt sehr dynamisch und lebendig ist. Dadurch wird es nie langweilig! Es ist wie in einem Labor, wo man mit Lebensmitteln, Zubereitungen, verschiedenen Zutaten und Getränken experimentieren sowie kreativ Neues ausprobieren kann.

Leider muss man sagen, solange sich die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie nicht ändern, ist es schwierig, Spaß und Freude an der Arbeit zu haben. Aber wir alle können aktiv mitgestalten und mit Initiativen wie dem „Female Wine Collective“ an Verbesserungen arbeiten.

sommelierunion.at

von Bernhard Degen

in Zusammenarbeit mit der

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