29.11.2024

Spitzen-Sommelier Stefan Klettner im Interview

Der Head-Sommelier des Burg Vital am Arlberg erzählt von seinen vielfältigen Erfahrungen und dem Weiterlernen im Kollektiv.

Stefan Klettner
Stefan Klettner © Christine Miess

Stefan Klettner hat schon viel von der kulinarischen Welt gesehen, sich aber dennoch die Neugier auf weitere Erfahrungen und Eindrücke bewahrt. 2017 hat er sich den Titel "Bester Nachwuchssommelier Österreichs" gesichert, im Vorjahr holte er sich Platz zwei bei der Sommelier-Staatsmeisterschaft. Er sieht sich als Marathonläufer mit zwei ehrgeizigen Zielen: Master of Wine sowie Master Sommelier. Im Gespräch mit Gault&Millau erzählt er über seine Hintergründe, seine Erfahrungen und worauf er sich noch freut.

Gault&Millau: Wann und warum fiel bei Ihnen die Entscheidung, Sommelier zu werden?
Stefan Klettner: Erstes größeres Interesse entstand im sehr guten Getränkeunterricht und später beim Jung-Sommelierkurs an der leider ehemaligen Tourismusschule in Bischofshofen in Salzburg. Kulinarik und auch Weine sind ein Ausdruck und Zusammenspiel von den Naturfaktoren und dem kulturhistorischen Hintergrund. Wein stellte für mich einen Weg und Versuch dar, die Welt um mich besser verstehen zu lernen.

Wie verlief Ihre Karriere, was waren Ihre prägendsten Stationen?
Mein berufliches Leben ist ein Mosaik aus vielen kleinen, dennoch äußerst prägenden, Stückchen: In meiner Schulzeit und im direkten Anschluss durfte ich Erfahrung bei den Gebrüdern Obauer (samt Alexander Koblinger MS) und Vitus und Eva-Maria Winkler (Kräuterreich) sammeln. Ich besuchte auch den Diplomsommelier-Kurs, um ein Fundament zu legen. Weiter ging's mit einem Praktikum bei Andi & Heidi Kollwentz als Vorbereitung für mein Studium der internationalen Weinwirtschaft im Rheingauer Geisenheim.

Meine Studien-Ferien und Freizeit verbrachte ich mitunter bei Christian Jürgens in der Überfahrt, bei Nils Henkel in der Burg Schwarzenstein und bei den wunderbaren Schellhorns im Seehof in Goldegg. Nebenbei machte ich u. a. die Weinakademiker-Ausbildung/das WSET-Diploma oder das A.S.I. Diploma (und später den Advanced Sommelier beim Court of Master Sommeliers).

Über die Zeit schnupperte ich auch in den Weinhandel und das Weinmarketing rein, schloss einen Master in Marketing- und Salesmanagement ab und gründete ein kleines Unternehmen mit einer eigenen Weinlinie mit Studienfreunden. Danach ging es ins Burg Vital Resort auf den Arlberg und für die Zwischensaison kurz nach Schweden (Adam & Albin) und Dänemark (ins Geranium). Kopenhagen war, wie zu erwarten, eine coole Geschichte, daher war ich folgend für etwas über ein Jahr als Assistant Head Sommelier im großartigen Alchemist – meine letzte Lehrstation, bevor es wieder ins Burg Vital retour ging, wo ich nun in meiner sechsten Saison versuche, als Head-Sommelier alles Erlernte gut umzusetzen.

Beim Wettbewerb
Beim Wettbewerb © Christine Miess

Was haben Sie in der internationalen Sommelerie erlebt, wovon wir in Österreich noch lernen könnten?
Österreich macht vieles schon sehr richtig. Einzig unsere Unart, (Wein-)Diplome so wichtig und als fixen Ausdruck für Fähigkeit und Kenntnisse zu nehmen, finde ich schade und für unsere Gäste oft auch irreführend. Zwingend macht ein Sommelier-Diplom einen nicht zu einem besseren Sommelier, und viele sehr gute Sommeliers international haben keine formelle Ausbildung, allerdings ein super Verständnis vom Weingeschehen. Gerade in Skandinavien wird an kontinuierliches und – ganz wichtig – gemeinsames Weiterlernen im Kollektiv gedacht. Das würde ich mir bei uns in der Breite auch mehr wünschen.

Welche internationalen Trends werden in Österreich noch mehr Bedeutung bekommen?
Der bewusstere Umgang mit handwerklich produzierten, alkoholfreien Alternativen wird sich bei uns sicher auch noch stärker verankern. Dazu kommt eine Erneuerung der Bewertung von relevanten Weinbauregionen, deren Produzenten und Weinen. Die Weinwelt ist nicht mehr dieselbe wie vor 15 Jahren. International sehe ich diese Dynamik öfters auf Getränkekarten reflektiert als derzeit noch bei uns. Es muss allerdings kommen – Allokationen der bekannten, großen Weine dieser Welt werden immer knapper oder ihre Preissteigerungen so extrem, dass viele Gäste sie nicht mehr mit Genuss und Freude trinken können.

Was lieben Sie an Ihrem Job/Ihrer Berufung?
Kurzum, die Möglichkeit, national und international, im Restaurant oder auf Weingütern spannende, wertschätzende und dankbare Menschen kennenzulernen. Ich kenne keinen weiteren Beruf, der Kurzweiligkeit, die flexible Möglichkeit, um die Welt zu kommen, und gute Entlohnung so treffend kombiniert.

Welche Eigenschaften sollte ein guter Sommelier haben?
Die Fähigkeit, einen Raum, eine Situation und seine Gäste im Restaurant zu lesen: Bedürfnisse aus den Gästen herauszukitzeln und undogmatisch und ohne Überbewertung der eigenen Meinung darauf einzugehen. Also ein Gegenüber zu sein, das Mehrwert und eine schöne Zeit anbieten kann und möchte. Dazu kommt ein gutes Verständnis des eigenen Betriebs und der Weinmärkte. Ebenso natürlich wieder: Neugierde für neue Entwicklungen.

Was sind die größten Herausforderungen im Alltag?
Beruflich: Da wir mit Menschen arbeiten, geschieht gefühlt jeden Tag etwas Unerwartetes, und darauf gilt es richtig zu reagieren. Privat: mit Stress und Erwartungen an sich selbst richtig und gesund umzugehen.

Stefan Klettner
Stefan Klettner © Christine Miess

„Nebenher“ arbeiten Sie am Master of Wine, wie kommen Sie voran?
Sowohl der Master of Wine als auch der Master Sommelier sind Großprojekte. Beide verfolge ich seit nun knapp acht Jahren. Ein Grund, weshalb ich wieder ins Burg Vital zurückgekehrt bin, ist es, mich in der Zwischensaison gezielt und so gut es geht vor die Bücher und Verkostungsgläser zu setzen. Wie ich herausfinden musste, sind beide Ausbildungen langjährige Prozesse. Marathonläufer-Qualität sticht hier Sprinter-Qualitäten – vorausgesetzt, man möchte auch etwas Privatleben haben. Also, wer sich daran versuchen möchte: bitte früh starten, nichts rausschieben und realistischerweise auch mal Rückschläge erwarten. Fortschritt ist keine Gerade. Nachdem das alles recht negativ klingt: Ich bin mehr als froh, dieses Ziel ursprünglich gesetzt zu haben – der Weg bis dato war es definitiv bereits wert!

Welches Food/Wine-Pairing ist im Burg Vital Hotel bislang besonders gut angekommen?
Etwas Simples wie Merlot Eiswein von der Familie Reinisch aus der Magnum & Kaiserschmarren mit Zwetschkenröster funktioniert bei internationalen Gästen immer sehr gut. In der Griggeler sind es zumeist die gereiften Jahrgänge in der Begleitung, die sehr gut ankommen, wie ein würzig-ätherischer 1989 Dominus zum zartrosa-gebratenen Rehrücken mit leicht süßem Kohlrabi und reduzierter, kräftiger Wild-Jus.

Wenn es einmal nicht Wein sein soll – womit überraschen Sie Ihre Gäste gerne?
Die C(hampagner)-Bratbirne von Jörg Geiger finde ich großartig. Feine Perlage, gute Stoffigkeit und Länge. Sonst die Säfte von Wachstum König oder Cocktail-Eigenkreationen, am liebsten auf Tee-Basis wie Lapsang Suchong, taiwanesischen Oolongs oder weißen Tees – expressiv-aromatisch und stimmig-druckvoll am Gaumen.

Wie würden Sie den Nachwuchs davon überzeugen, dass Sommelier der schönste Beruf der Welt ist?
Als Sommelier bekommt man einen Crash-Kurs in vielen Bereichen des Lebens, die wichtig sind: richtiger Umgang mit Menschen, multilinguales Arbeiten, Durchhaltevermögen, ein Grundverständnis von Naturwissenschaften, Kulturen und Wirtschaft.

von Bernhard Degen


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