05.05.2023

Ygay: Raritäten aus dem Herzen Spaniens

Castillo Ygay-Verkostung im Burgvital Hotel in Oberlech bis ins Jahr 1968 zurück. Star des Abends war ein weißer Rioja!

Das Kate & Kon Führungsteam Konstantin und Katharina Wolf, Florian Wolf-Haidegger und Arthur de Lencquesaing von Marques de Murrieta
Das Kate & Kon Führungsteam Konstantin und Katharina Wolf, Florian Wolf-Haidegger und Arthur de Lencquesaing von Marques de Murrieta © Herbert Lehmann

Wohl jeder Weinfreund hat schon einmal eine gute Flasche Rioja getrunken. Wirklich spannend wird es aber erst in der Oberliga aus dem Herzen Spaniens. Was beim Castillo Ygay Tasting von Kate & Kon im Burgvital Hotel in Oberlech präsentiert wurde, war mehr als außergewöhnlich – sowohl in Rot als auch in Weiß.

Einfache Crianzas aus dem Rioja gibt es in jeder spanischen Weinbar. Das kostet zumeist nicht viel und schmeckt fast immer. Crianzas sind junge, frische und leicht zu trinkende Rotweine, die sich auch als Speisebegleiter hervorragend eignen. Etwas länger gereifte Reservas und Grand Reservas von guten Produzenten wie Marques de Murrieta sind die Spur kostspieliger und haben in der Regel ein großes Reifepotential. Und dann gibt es noch Raritäten wie die Weine von Castillo Ygay, die eine Klasse für sich darstellen – auch im internationalen Vergleich.

Bei Castillo Ygay handelt es sich nicht um ein eigenes Weingut, sondern um die Premium-Linie von Marques de Murrieta, die ausschließlich Grand Reservas aus außergewöhnlich guten Jahrgängen umfasst. Wo das markante Etikett drauf pickt, ist immer außergewöhnlicher Wein drinnen. Es gilt der Grundsatz: je reifer, desto besser. Das war schon immer so.

Drei aufeinanderfolgende Jahrgänge von Castillo Ygay gab es zuvor noch nie: 2009, 2010 und der aktuelle 2011er
Drei aufeinanderfolgende Jahrgänge von Castillo Ygay gab es zuvor noch nie: 2009, 2010 und der aktuelle 2011er © Herbert Lehmann

1877 wurde der erste Jahrgang nach Bordelaiser Vorbild – also Ausbau in Barriques – gefüllt. Für die besten Chargen, die bei Marques de Murrieta mit dem Prädikat Castillo Ygay geadelt werden, waren in den ersten Jahrzehnten 20 Jahre Reifezeit im Holz keine Seltenheit. In der jüngeren Vergangenheit hat man die Reifezeit im Fass deutlich verkürzt. Trotzdem kommt ein Castillo Ygay frühestens zehn Jahre nach der Ernte auf den Markt. Wer nicht so lange warten (und auch nicht so viel Geld ausgeben) will, ist mit den normalen Reservas von Marques de Murrieta bestens bedient. Das kostet nur rund ein Zehntel eines Castillo Ygays und entspricht dem, was man sich von einer klassischen Rioja-Reserva erwartet. Aktuell ist bei Kate & Kon der Jahrgang 2018 erhältlich.            

Beim Castillo Ygay ist der aktuelle Jahrgang sieben Jahre älter. Trotzdem schmeckt der 2011er geradezu jugendlich. Die Frucht ist lebendig, die Tannine sind präsent. Von „Kindsmord“ kann man nicht sprechen. Dafür macht der 2011er schon jetzt viel zu viel Freude am Gaumen und auch die Länge im Abgang ist beeindruckend.

Das Einzige, was gegen den sofortigen Genuss spricht, ist die Tatsache, dass man den Wein dann nicht in einer noch verführerischen Verfassung trinken kann. Zum geschmorten Wagyu mit Morchel und Spargel wurden in einem 3er Flight neben dem 2011er Castillo Ygay auch die beiden vorherigen Jahrgänge 2010 und 2009 präsentiert. Allesamt verführerisch und naturgemäß ziemlich ähnlich, aber doch mit geringfügigen Unterschieden. Es ist übrigens eine absolute Rarität, dass in drei aufeinanderfolgenden Jahrgängen Castillo Ygays gefüllt wurden. Im Schnitt wird dieser Wein nur alle zwei bis drei Jahre selektioniert.

Und wie schmeckt nun ein wirklich gut gereifter Castillo Ygay tatsächlich? Diese Frage wurde eindrucksvoll beantwortet und zwar gleich in doppelter Form. Der 1980er aus der Magnum wirkte straff und frisch, das Einzige, was auf sein stolzes Alter von über 40 Jahren schließen ließ, war das unglaublich komplexe Spiel der Aromen, die einfach ihre Zeit brauchen, um sich zu entwickeln. Dem 1968er war seine Reife schon etwas deutlicher anzumerken, wenngleich der Genuss dieser Rarität immer noch uneingeschränkt gegeben war.

Capellanía 2017: Ein perfekter Rioja in Weiß, der sich hervorragend als Speisebegleiter zu Fisch mit kräftigen Saucen eignet.
Capellanía 2017: Ein perfekter Rioja in Weiß, der sich hervorragend als Speisebegleiter zu Fisch mit kräftigen Saucen eignet. © Herbert Lehmann

Großes Weißes aus dem Süden

Weltbekannt wurde Rioja aufgrund seiner Rotweine. Tatsächlich ist seit Jahrhunderten ein gutes Siebtel der Weingärten mit weißen Rebsorten bepflanzt. Diese dienen nicht nur der Bereitung von einfachen Tafelweinen für die lokale Bevölkerung. Vor allem aus der Viura-Traube entstehen mitunter sehr langlebige, komplexe Weine. Der Capellanía von Marques de Murrieta ist ein Paradebeispiel dafür. Er stammt vom höchsten Weingarten des Guts, die Rebstöcke sind über 70 Jahre alt, nach zwei Jahren Ausbau in französischen Barriques werden ihm noch ein paar Jahre Flaschenreife gegönnt, bevor er in den Handel kommt. Der aktuelle Jahrgang ist 2017. Es handelt sich um einen eleganten und doch kraftvollen Wein mit sehr akkurater Struktur und verführerischer Frucht nach Quitte, Apfel und Kiwi. Cremig am Gaumen mit tollem Trinkfluss macht dieser Weißwein einfach große Freude. Der Zander mit Sellerie und Beurre Blanc aus der Küche der Griggeler Stuba war ein perfektes Match für diesen Wein.

Eine einzigartige Ikone

Und dann gibt es noch den raren Castillo Ygay Gran Reserva Especial Blanco bei dem man nicht umhinkommt, in Superlativen zu schwelgen. Damit sind wir allerdings nicht allein. Der aktuelle Jahrgang 1986 wurde von Robert Parker als erster Weißwein Spaniens überhaupt mit 100 Punkten bewertet. Er stammt ebenfalls aus dem Weingarten Capellanía und wird nur alle heiligen Zeiten, sprich wenn der Jahrgang wirklich exzeptionell ist, produziert. Nach dem 1986er könnte vielleicht in paar Jahren ein 1998er folgen. So sicher ist sich Arthur de Lencquesaing, der für das außergewöhnliche Marques de Murieta-Tasting extra nach Oberlech angereist kam, da noch nicht, denn der Wein befindet sich immer noch im Fass.

Ja, sie haben richtig gelesen. Ein weißer Ygay wandert nach der Vergärung für unglaubliche 252 Monate – das sind 21 Jahre – ins Fass. Dann folgen über fünf Jahre im Zementtank, bevor er in die Flasche kommt. An dieser aufwändigen Prozedur hat sich seit den Anfängen vor über 170 Jahren nichts geändert. Gerade einmal 8.000 Flaschen sind es im besten Fall, die im Handumdrehen trotz eines Verkaufspreises von rund 1.000 Euro vergriffen sind. Im Burgund mag es noch teurere Weißweine geben, aber einen noch selteneren Weißwein gibt es weltweit unseres Wissens nach nicht.

Beim Castillo Ygay Reserva Especial Blanco handelt es sich immer um eine exklusive Rarität. Meistens liegen deutlich mehr als zehn Jahre zwischen zwei Jahrgängen.
Beim Castillo Ygay Reserva Especial Blanco handelt es sich immer um eine exklusive Rarität. Meistens liegen deutlich mehr als zehn Jahre zwischen zwei Jahrgängen. © Herbert Lehmann

Und wie schmeckt er? Die Länge des Castillo Ygay Blancos ist unbeschreiblich. Minutenlang bleibt er am Gaumen haften und verzaubert die Geschmacksknospen. Er wirkt erstaunlich frisch und mineralisch und hat jede Menge Frucht: getrocknete Birne, Orangenmarmelade, Honignoten, etwas Marzipan sind erste Assoziationen. Man will gleich den nächsten Schluck nehmen, doch so voll ist das Glas bei einer Verkostung dann doch nicht. Robert Parker hatte das Privileg einer eigenen Testflasche, die er über eine Woche lang verkosteten konnte. Laut ihm, hat der Wein mit jedem weiteren Tag eher zugelegt und nicht abgebaut. Sein Fazit: Das ist ein perfekter Wein.

Zurück in die Realität. Sowohl der „normale“ weiße Capellaná als auch die roten Reservas und Grand Reservas von Marques de Murrieta sind absolut empfehlenswerte Weine, die man durchaus preisgünstig nennen kann. Ein Castillo Ygay ist und bleibt immer ein besonderer Wein, den man sich zu bestimmten Anlässen gönnt. Verglichen mit manchen anderen Kultweinen (auch aus Spanien) ist der Preis von 220 Euro mehr als angemessen. Egal in welchem Preissegment man sich bewegt: das Rioja ist eine Weinbauregion, die bei uns immer noch unterschätzt wird. Man sollte das einfach öfter trinken!

www.kateandkon.com
marquesdemurrieta.com

von Wolfgang Schedelberger

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