Ist das Mraz & Sohn in Brigittenau mit Hauben-Hochburgen wie dem Obauer oder dem Steirereck vergleichbar? Nein, aber den Vergleich wollen wir auch gar nicht anstellen. Stattdessen findet man im Mraz & Sohn eines des lässigsten Fine-Dining-Restaurants des Landes, in dem es regelrecht zelebriert wird, der Haute Cuisine ihre Schwere und Ernsthaftigkeit zu nehmen. Untermauert wird das von Freddy Mercurys „Don’t stop me now“, das uns von der Schallplatte erreicht. Wenn ein Gast am Nebentisch in respektablem Alter zwischen zwei Gängen die Luftgitarre spielt, dann ist man bei Mraz & Sohn. Vater Markus (unser „Koch des Jahres 2018“) und Sohn Lukas spielen bewusst mit der Unkonventionalität. Der eine mit langem Haar, der andere mit langem Bart, mit Vinylplatten, Blumen in Plastikübeln und moderner Kunst an den Wänden. Ein Raum, der zugleich punkig und gemütlich wirkt, während die Gerichte einen ebenso außergewöhnlichen Mix aus wilder Kreativität und Perfektion auf den Tisch bringen. Die Küche – überraschend, provokant und doch wohldurchdacht. Was die Grenzen des Bekannten sprengt, wird probiert. Meistens geht das gut aus. Wie beim Eismarillenleberknödel als Amuse: kalt, samtig-buttrig, süß und schlichtweg köstlich – bleibt in Erinnerung. „Hamachi crudo“, in Physalis mariniert und mit süßem Habanero sowie Ingwerblüten für den Crunch, vereint die Frische des rohen Fischs mit feiner Exotik. Dazu eine mutige Schärfe, die den Gaumen wachrüttelt, während der hauchdünne Teig des Lahmacun (eine Art türkische Pizza) mit Bananenessig und Kaffeeöl neue Dimensionen an Geschmack eröffnet. Der simple Aufbau des Paradeisermandalas täuscht, denn Aivar, Dashi-Essig und Shiso schaffen hier einen Tiefgang, den man so schnell nicht vergisst. Das Highlight des Abends ist das Hamachifilet mit slowenischem Sommertrüffel und getrockneten Steinpilzen. Obendrauf noch getrockneter Germ, mehr Umami wird man in einem Fischgang kaum unterbringen. Mraz & Sohn zeigen, dass Fine Dining nicht elitär, etikettenstarr und gedämpft sein muss. Im Gegenteil, sie schreien es mit jedem Gang laut hinaus: Genießt es! Habt Spaß dabei! Das ist der kleine feine Unterschied, wenn Kochkunst nicht zelebriert, sondern gelebt wird.